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Grenke-Endrunde in Bremen: "Ein Signal für die Liga"

Bremen statt Berlin: Die Endrunde der Schachbundesliga hat in diesem Jahr eine neue Heimat gefunden, das "Wohninvest Weserstadion". Und sie hat einen neuen Namen bekommen, sie heißt jetzt "Grenke Endrunde". Wie das kam, erklären im Interview die Organisatoren Dr. Oliver Höpfner, Vorsitzender der Schachabteilung des SV Werder Bremen, und Michael S. Langer, Präsident des Niedersächsischen Schachverbands. Außerdem erfahren wir, warum in Bremen beim Schach Sicherheitsleute erforderlich sind, warum die Endrunde im Norden eine Nord-Süd-Achse repräsentiert und warum die Bremer ihr Match gegen Bayern München unbedingt gewinnen wollen.

Dr. Oliver Höpfner (links) und Michael S. Langer planen während der Grenke-Endrunde einen "Brückenschlag zur Bremer Öffentlichkeit". Schach soll in der Weserstadt sichtbar sein, während im Stadion die besten deutschen Mannschaften um Meisterschaft und gegen den Abstieg spielen. | Fotos via Niedersächsischer Schachverband, Wikipedia

Die Endrunde der Schachbundesliga in Berlin schien sich zu einer Tradition zu entwickeln. Nun auf einmal Bremen. Wie kommt das?

Dr. Oliver Höpfner: Der Gedanke, dass wir so etwas ausrichten könnten, kam mir Ende Februar, als sich im Gespräch mit der Liga und anderen Vereinen abzeichnete, dass eine Endrunde in Berlin 2022 nicht ohne Weiteres möglich sein würde. Mir war aber klar, dass wir dafür einen Partner brauchen. Allein könnten wir das kaum stemmen. Bei der Bundesliga-Auftaktrunde Anfang März habe ich dann das Gespräch mit Michael gesucht – und bin auf offene Ohren gestoßen.

Michael S. Langer: Bremen sehe ich nicht als Notlösung, eher als Chance. Während du in Berlin mit seiner Vielzahl von Veranstaltungen leicht untergehst, bekommt eine Deutsche Meisterschaft in Bremen öffentliche Aufmerksamkeit. Das lässt sich jetzt unter anderem daran erkennen, dass bei der Grenke-Endrunde die Bremer Wirtschaftsförderung mit im Boot ist.

Höpfner: Wir streben gezielt den Brückenschlag zur Bremer Öffentlichkeit an. Am Tag des Auftakts, dem 7. Juli, wird das von Marco Bode initiierte Projekt „Schach macht Schlau“ den Bremer Marktplatz in ein großes Schachfeld verwandeln. 1000 Kinder werden dort Schach spielen – und hoffentlich dem einen oder anderen Großmeister begegnen, der an der Grenke-Endrunde teilnimmt. Auch die in Bremen speziell ausgeprägte Solidarität mit der Ukraine wird eine wahrnehmbare Rolle spielen, unter anderem bei einem Benefiz-Simultan mit unseren ukrainischen Spielern. Marco Bode, ich erwähnte ihn schon, ist als Bremer Fußballidol und Schachspieler ja quasi der personifizierte Brückenschlag.

1000 Schachkinder auf dem Markplatz, mittendrin: Marco Bode, früher Fußball-Nationalspieler, jetzt Bremens erster Schachbotschafter. | via schachmachtschlau.de
1000 Schachkinder auf dem Markplatz, mittendrin: Marco Bode, früher Fußball-Nationalspieler, jetzt Bremens erster Schachbotschafter. | via schachmachtschlau.de

Die erste Bremer Endrunde ist unter Zeitdruck entstanden.

Langer: Stimmt, der zeitliche Vorlauf für die Planung war sehr knapp bemessen. Beschlossen war die Endrunde in Bremen erst Ende März.

Höpfner: Können wir das Weserstadion bekommen? Wie soll die Finanzierung aussehen? Das waren die ersten grundsätzlichen Fragen, die wir geklärt haben. So eine Veranstaltung ist ja mit erheblichen Kosten verbunden, und wir stehen als Schachabteilung in der Verantwortung, keine allzu großen Miesen zu machen. Außerdem musste in Bremen schnell ein Team entstehen, das die Endrunde stemmt. Ich spreche hier ja nur stellvertretend für eine ganze Reihe von Leuten, die sich einbringen. Lass‘ mich als ganz wesentliche Stützen zwei nennen: Udo Hasenberg, Betreuer unserer Website, und Spartak Grigorian, Manager unserer Bundesligamannschaft.

Was kostet eine Endrunde?

Höpfner: Etwa 50.000 Euro, das ist neben vielen kleinen Posten im Wesentlichen Catering, Liveübertragung und Security…

…Sicherheitsleute? Beim Schach?

Höpfner: Ja, vielleicht nicht der aufregendste Job (lacht). Aber wir müssen Security vorhalten, seitdem bei einem Heimspiel in der Saison 2010/11 einige Schachfreunde die Gelegenheit genutzt haben, den heiligen Rasen des Weserstadions zu betreten. Der Greenkeeper hat sie damals verscheucht, und ich musste mir eine längere Standpauke anhören. Seitdem gibt es für die Schachabteilung die Auflage, so etwas unbedingt zu vermeiden.

Betreten verboten (für Schachspieler): Der heilige Rasen. | via Wikipedia
Betreten verboten (für Schachspieler): der heilige Rasen. | via Wikipedia

Im Vergleich zu anderen potenziellen Ausrichtern dürfte ein Standortvorteil des Bremer Schachs darin bestehen, dass tolle Räume vorhanden sind und nicht angemietet werden müssen.

Höpfner: Da können wir aus dem Vollen schöpfen. Wir haben zwei große VIP-Räume zur Verfügung, außerdem einige Logen, wo sonst Geschäftsleute ihre Gäste zum Fußball empfangen. Die Teilnehmer müssen sich allerdings darauf einrichten, an ihrer Fitness zu arbeiten. Die Wege im Weserstadion sind nicht ganz kurz. Vom einen bis zum anderen Ende der Veranstaltungsfläche sind es bestimmt 200 Meter.

Die Endrunde der Schachbundesliga verkauft die Namensrechte an ihrer Veranstaltung – eine Neuerung.

Höpfner: Und ein wichtiger Bestandteil, die Veranstaltung zu finanzieren. Ohne diese Unterstützung, neben Grenke auch die von d-fine, hätten der Hauptverein und die Bremer Wirtschaftsförderung keine Ausfallbürgschaft geleistet, für die ich mich vor allem bei unserem Präsidenten Dr. Hubertus Hess-Grunewald bedanken möchte. Ich glaube aber auch, dass diese Unterstützung von grundsätzlicher Bedeutung für die höchste Spielklasse sein kann, wenn es etwa darum geht, einen Sponsor für die Bundesliga zu finden. Wir hoffen, dass die Grenke-Endrunde ein Signal ist, auf der Liga-Ebene über Marketing nachzudenken.

Langer: Und ein Signal, wie ligaintern miteinander gearbeitet werden sollte. Diese Endrunde steht auch für eine funktionierende Nord-Süd-Achse in der Bundesliga – von Baden-Baden über Viernheim nach Bremen. Vertreter dieser drei Vereine haben in diversen Sitzungen die Bremer Endrunde inklusive der Idee, die Namensrechte zu vergeben, gemeinsam auf die Beine gestellt. Nicht nur das Ergebnis, auch eine solche Zusammenarbeit gab es meines Wissens in der Bundesliga noch nicht. Die Entstehungsgeschichte der Grenke-Endrunde sehe ich als ersten Schritt hin zu einer wirklichen Professionalisierung der Schachbundesliga.

Das Verhältnis von Bremen zu Baden-Baden war nicht immer von Harmonie geprägt.

Höpfner: Der Konflikt um die zwei Grenke-Teams in der Liga und unsere kritische Haltung dazu ist lange her. Trotzdem, es war auch aus meiner Sicht nicht selbstverständlich, dass wir jetzt gemeinsam und in aller Konstruktivität so ein Projekt stemmen, das beispielgebend für die Zukunft der Liga sein könnte.

Welche Rolle spielt der Niedersächsische Schachverband?

Langer: Wir kooperieren ohnehin eng miteinander. Niedersachsen trifft ja das harte Los, nicht Bundesligaland zu sein. Wir haben darum gemeinsam mit den Bremern einen Weg gefunden, der sicherstellt, dass unsere besten Talente, wenn sie schon abwandern, bei Werder Bremen landen, um dort in der Bundesliga zu spielen. Bei der Endrunde haben wir anfangs, weil es zeitlich so knapp war, auch potenzielle Ausrichtungsorte in und Finanzierung aus Niedersachsen gesprochen. Jetzt sind wir der Juniorpartner, der zusammen mit d-fine die erste offene niedersächsische Hochschulmeisterschaft auf Bremer Boden ausrichtet.   

Höpfner: Für mich seid ihr ein ganz wichtiger Baustein. Auf die Infrastruktur, die Manpower, auch auf Fachwissen und Erfahrung im niedersächsischen Verband zugreifen zu können, hat uns vieles erleichtert. Wir haben in Bremen zwar schon immer Turniere ausgerichtet, aber das ist jetzt eine ganz andere Dimension. Hätten wir nicht einen solchen Partner an der Seite, wer weiß, vielleicht hätten wir letztlich doch zurückgezogen.

Prestigeduell Werder Bremen vs. Bayern München: "Das wollen wir natürlich gewinnen", sagt Oliver Höpfner. | Foto: Johannes Winkler/Schachbundesliga
Prestigeduell Werder Bremen vs. Bayern München: "Das wollen wir natürlich gewinnen", sagt Oliver Höpfner. | Foto: Johannes Winkler/Schachbundesliga

Bei der ersten Endrunde im Weserstadion Deutscher Meister zu werden, ist für Werder Bremen nicht mehr drin. Was plant Ihr sportlich?

Höpfner: Der Tabellenstand ist Ausdruck unseres neuen Konzepts. Bis 2012 hatten wir stets eine Mannschaft, die den Anspruch erhob, Baden-Baden und den anderen Spitzenteams Konkurrenz zu machen. Aber das führte zu einer Entfremdung der ersten Mannschaft vom Verein, ein gängiges Phänomen übrigens, nicht nur in der Bundesliga, auch auf dem Amateurlevel, wo die Spieler aus der ersten Mannschaft nicht mehr zum Vereinsabend kommen. In Bremen haben wir jedenfalls eingesehen, dass es so nicht nachhaltig ist. Wir haben im Sinne des Vereins die Dinge gezielt auf mehrere Schultern verteilt. Sportlich sehen wir uns in der Pflicht, Nachwuchsspieler zu fördern, indem wir sie oben einbauen.

Also kein sportlicher Ehrgeiz.

Höpfner: Doch! Im Rahmen unserer Möglichkeiten. Gegen alle Spitzenmannschaften haben wir gespielt, jetzt wollen wir vor heimischem Publikum ordentlich Punkte sammeln. Unter anderem steht das Prestigeduell gegen Bayern München an. Das wollen wir natürlich gewinnen.

Prestigeduell?

Höpfner: Freundschaftlich! Wir arbeiten im Kinder- und Jugendbereich mit Bayern München eng zusammen. 2020 hatten wir eine Reise zum Bayern-Campus mit unseren Schachkindern schon organisiert, dann kam Corona dazwischen. Das werden wir auf jeden Fall nachholen. Aber die sportliche Rivalität ist trotzdem groß. „Bayern München“, damit können die Leute in unserem Hauptverein etwas anfangen, und ein Sieg gegen die Bayern ist bei Werder Bremen natürlich eine besondere Sache, ob beim Fußball oder beim Schach.

 

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