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Finale in Viernheim

Das Beste zum Schluss: Zum Saisonfinale am letzten März-Wochenende trafen in Viernheim die beiden Top-Teams aufeinander. Der gastgebende Schachclub Viernheim setzte sich überraschend und unerwartet deutlich mit 5,5:2,5 gegen das auch nominell stärkere Team der favorisierten OSG Baden-Baden durch. Die Südhessen sicherten sich damit zum zweiten Mal in Folge die Vizemeisterschaft, während die Baden-Badener sich trotz dieser ersten und einzigen Saisonniederlage verdient die Meisterschaft sicherten. In der Endtabelle erreichte die OSG Baden-Baden 28:2 Mannschaftspunkte, knapp gefolgt vom Schachclub Viernheim mit 27:3 Punkten.

Neben einem in dieser Form in Viernheim noch nicht gesehenen Stelldichein von Weltklassespielern wurde dieses Schach-Event in der Albertus-Magnus-Schule mit einer Live-Kommentierung für die Zuschauer vor Ort, einem Live-Stream in die globale Online-Welt, und einem aufwändig handgemachten Catering abgerundet. Das parallele Match der jeweiligen Reisepartner gewann der SC Remagen-Sinzig gegen den TSV Schönaich knapp mit 4,5:3,5, während diese beiden Vereine in ihren Wettkämpfen am Sonntag gegen Baden-Baden bzw. Viernheim (jeweils 6,5:1,5) wie erwartet chancenlos waren.

Die Spieler des Schachclub Viernheim, Deutscher Vizemeister in der 1. Schach-Bundesliga 2022/2023, zusammen mit Mannschaftsführern und Sponsor. | Foto: Foto: Christian Hoffmann

Das große Schach-Wochenende in Viernheim begann für die Gastgeber bereits am Freitag Abend mit einem zwanglosen Blitzturnier, an dem alle(!) für den Folgetag eingeplanten Profis des Vereins teilnahmen und sich im Rahmen des Spielabends unter die Vereinsmitglieder mischten. Einen ausführlichen Bericht dazu hat der SC Viernheim bereits auf seiner Homepage publiziert.

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Am Vorabend: Amateur blitzt gegen Profi, Dominique Sattel vs. Shakhriyar Mamedyarov (Foto: Stefan Spiegel)

Als am Samstag um 12 Uhr die Spieler-Paarungen veröffentlicht wurden, war klar, dass die OSG Baden-Baden zwar nicht in absoluter Topbesetzung antritt, dank ihres bärenstarken Spielerkaders aber trotzdem das nominell stärkere Team an die Bretter bringen würde. Obwohl es den Viernheimer gelungen war, erstmals die ersten Sieben ihrer Rangliste gleichzeitig einzusetzen, lag der Erwartungswert (basierend auf den Wertungszahlen der Spieler) für den SCV rechnerisch bei 3,8:4,2.

Ein knappes Wettkampfergebnis war zu erwarten. Und es war allen Beteiligten klar, dass beide Teams dieses prestigeträchtige Match unbedingt gewinnen wollen, auch wenn der erneute Titel für die OSG Baden-Baden aufgrund der Tabellensituation angesichts der Tabellensituation auch bei einer Niederlage kaum gefährdet sein würde.

Los ging es dann um 14 Uhr nach kurzen Ansprachen und einem Dank an alle Helfer und Organisatoren, für die es diesmal noch mehr als sonst zu tun gab, da das Viernheimer Bürgerhaus nicht verfügbar war und dieses Bundesliga-Wochenende zum ersten Mal in der Albertus-Magnus-Schule Viernheim (AMS) ausgerichtet wurde. Ein ausdrücklicher Dank ging auch an die AMS für das Überlassen der Räumlichkeiten und die Unterstützung vor Ort.

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Das Spiellokal: Aula der Albertus-Magnus-Schule Viernheim (Foto: Stefan Spiegel)

An den vorderen Brettern 1, 2 und 4 neutralisierten die erfahrenen Großmeister auf beiden Seiten des Brettes einander weitgehend. Somit Remisen in den Partien von Shakhriyar Mamedyarov gegen Levon Aronian, Jan-Krzysztof Duda gegen Maxime Vachier-Lagrave, und Yuriy Kryvoruchko gegen Vincent Keymer.

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Shakhriyar Mamedyarov (Viernheim) gegen Levon Aronian (Baden-Baden); die eigentlich vorgeschriebene einheitliche Teamkleidung hält allerdings nur einer ein ... (Foto: Stefan Spiegel)

Parallel dazu zeichnete sich ab, dass Baden-Badens erfahrener Michael Adams (Brett 5, Weiß) gegen Anton Korobov nach seinem Bauernopfer im frühen Mittelspiel ungenau fortgesetzt hatte. Die Stellung des im Zentrum verbliebenen schwarzen Königs konnte er nicht ausnutzen. Ein Qualitätsopfer in der Hoffnung auf Verwicklungen änderte daran nichts. Mit präziser Technik fuhr Anton den vollen Punkt ein.

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Anton Korobov (rechts) zu Beginn seiner Gewinnpartie gegen Michael Adams (Foto: Stefan Spiegel)

Viernheims 18-jähriger usbekischer Shootingstar Nodirbek Abdusattorov versuchte unterdessen an Brett 3 mit Schwarz gegen Baden-Badens Francisco Vallejo Pons (dessen Mitwirken bei Putins Propagandaturnier in Moskau auch ein Gesprächsthema war ...) in objektiv ausgeglichener Endspielstellung etwas zu erreichen. Zwischenzeitlich gelang sogar ein Bauerngewinn, aber letztendlich wurde die Remisbreite wohl nie überschritten und die Partie endete friedlich. Wesentlich verwickelter war die Partie von David Anton-Guijarro (Brett 6 mit Weiß) gegen Rustam Kasimdzhanov, um kurz nach der Zeitkontrolle dann mit einem Remis durch Dauerschach zu enden. Beim Zwischenstand von 3,5:2,5 für Viernheim und soliden oder besseren Stellungen in den anderen Partien kam somit langsam das Gefühl auf, dass den Südhessen an diesem Tage ein objektiv nicht zu erwartender Sieg bzw. eine kleine Sensation gelingen könnte.

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Die Schlussphase der Partie Nodirbek Abdusattorov gegen Francisco Vallejo Pons (Foto: Stefan Spiegel)

Viernheims deutscher Großmeister Dennis Wagner hatte an Brett 8 mit Weiß schon im frühen Mittelspiel einen Bauern gewonnen, den er ohne ausreichende Kompensation für seinen Gegner, Alexander Donchenko (ebenso wie sein Gegenüber ein deutscher Nationalspieler), bis ins Endspiel behaupten und dieses dank guter Technik auch zum vollen Punkt führte. Zwischenstand somit 4,5:2,5 für den Schachclub Viernheim. Damit stand der SIeg fest, und es konnte (noch angemessen still und zurückhaltend) gefeiert werden, dass die Südhessen zum ersten Mal den seit vielen Jahren führenden Verein aus Baden-Baden geschlagen hatten.

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Dennis Wagner kurz vor dem Sieg in seiner Partie gegen Alexander Donchenko (Foto: Stefan Spiegel)

Den Schlusspunkt setzt dann Viernheims Dr. Bassem Amin (Brett 7, Schwarz) in seinem packenden Duell mit Arkadij Naiditsch. Nach schon bis dahin wechselhaftem Partieverlauf und beiderseitigen Ungenauigkeiten (laut späterer Computeranalyse) hatte sich der Baden-Badener Spieler im Endspiel wieder einen kleinen Vorteil erarbeitet, wobei seine Mehrfigur gegen die schwarze Bauernarmee wohl zu wenig war für einen Sieg. Und in objektiv ausgeglichener Stellung profitierte Bassem dann sogar von einem Einsteller seines Gegners und konnte mit seinem Sieg den Endstand von 5,5:2,5 für den Schachclub Viernheim gegen die OSG Baden-Baden sicherzustellen.

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Dr. Bassem Amin zu Beginn seiner später dramatischen Gewinnpartie gegen Arkadij Naiditsch (Foto: Stefan Spiegel)

Der Sieg der Südhessen ist vielleicht einen halben Punkt zu hoch ausgefallen, aber es gab keine Zweifel, dass die Viernheimer an diesem Tag völlig verdient zum ersten Mal gegen die dominierende deutsche Mannschaft der letzten Jahre gewonnen und die Baden-Badener eine in dieser Höhe historisch zu nennende Niederlage hinnehmen mussten. Für den neutralen Betrachter ist diese neue Spannung in der 1. Schach-Bundesliga aber sicherlich eine erfreuliche Entwicklung, und lässt auf einen noch spannenderen Verlauf der nächsten Saison 2023/2024 hoffen.

Begleitet wurde das Schach-Event in Viernheim von einer Live-Kommentierung für die Zuschauer vor Ort durch Viernheims GM Ilja Zaragatski und IM Maximilian Meinhardt, die außerdem per Live-Stream in die ganze Welt übertragen wurde. Und auch das exquisite und handgemachte Catering für Spieler, Schiedsrichter, Betreuer und Zuschauer soll auf keinen Fall unerwähnt bleiben!

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Die beiden Spitzenspieler Levon Aronian und Shakhriyar Mamedyarov im Gespräch mit Ilja Zaragatski, rechts vorübergehend im Publikum Maximilian Meinhardt (Foto: Stefan Spiegel)
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Eine kleine Impression des umfassenden und selbstgemachten Caterings (Foto: Stefan Spiegel)

Nach dem ereignisreichen Samstag galt es für beide Spitzenteams am Sonntag nun auch ihre Pflichtaufgaben zu erledigen, nachdem sich im Duell der beiden Reisepartner am Samstag der SC Remagen-Sinzig knapp mit 4,5:3,5 gegen den TSV Schönaich durchsetzen konnte. Dies gelang beiden Vereinen erwartet deutlich mit einem 6,5:1,5 für Viernheim gegen Schönaich und ebenso 6,5:1,5 für Baden-Baden gegen Remagen-Sinzig.

Die OSG Baden-Baden sicherte sich mit diesem abschließenden Sieg und 28:2 Mannschaftspunkten in der 1. Schach-Bundesliga 2022/2023 erneut den Titel des Deutschen Meisters, und das völlig verdient angesichts einer überzeugenden und stabilen Leistung während der gesamten Saison. Der Schachclub Viernheim konnte sich dagegen neben dem erstmaligen Sieg gegen Baden-Baden darüber freuen, mit 27:3 Mannschaftspunkten erneut die deutsche Vizemeisterschaft errungen zu haben. Den dritten Platz konnten sich die Schachfreunde Deizisau sichern, die ebenso wie die OSG Baden-Baden mit dem Sponsoren-Logo der Grenke AG antreten.

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Der alte und neue Deutsche Meister, die OSG Baden-Baden ... (Foto: Stefan Spiegel)

Der Schachclub Viernheim dankte seinerseits der Frankfurter Unternehmensberatung d-fine, deren Repräsentanten nicht nur bei diesem Finale vor Ort waren, für die langjährige und zuverlässige Unterstützung, sowie den privaten Spendern, die ebenfalls einen erheblichen Beitrag zum Bundesliga-Budget des Vereins beitragen. Ebenso ging ein großer Dank an die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer des Vereins, ohne deren Hilfe sowohl die Veranstaltung eines solchen Events als auch die Durchführung der gesamten Saison inklusive zahlreicher begleitender Aktivitäten nicht möglich wäre.

Nation
GER
Titel
GM
Elo
2616
DWZ
2624
Punkte
6
Partien
7
Nation
AZE
Titel
GM
Elo
2733
DWZ
2732
Punkte
10
Partien
13
Nation
UKR
Titel
GM
Elo
2651
DWZ
2668
Punkte
6.5
Partien
10
Nation
UZB
Titel
GM
Elo
2765
DWZ
2750
Punkte
4
Partien
5

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