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Saisonvorschau: Umbruch in Düsseldorf – Baden-Baden Favorit

Von Stefan Liebig

Am Wochenende geht's los: eine neue Saison in der Schachbundesliga. Dass die Düsseldorfer Weltauswahl als Titelverteidiger so nicht weiter existieren wird, war klar. Mit dem neuen Team geht es in erster Linie um den Klassenerhalt. Den Titel an sich reißen, würden – wie 2024 – gerne die Viernheimer, doch ihr Kader scheint nicht ganz so stark besetzt zu sein wie der des entthronten Serienmeisters Baden-Baden.

Wo 2025/26 der FC St. Pauli auftaucht, da wird die Carlsen-Frage im Raum stehen. | Foto: Jan Werner/Düsseldorfer SK

In der vergangenen Saison gesellte sich der Düsseldorfer SK mit einer indisch geprägten Weltauswahl zu den Teams, die der OSG Baden-Baden den langjährigen Meistertitel ebenfalls streitig machen wollten – ein Kunststück, das der SG Solingen im Jahr 2016 und dem SC Viernheim 2024 gelungen ist. Das Team aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt erfüllte diese Ambition eindrucksvoll: Lediglich in der letzten Runde gab man beim Duell mit dem Vorjahresmeister Viernheim einen Mannschaftspunkt ab. Am Ende stand ein Vorsprung von drei Mannschaftspunkten und 6,5 Brettpunkten, ein klarer Beleg für die Überlegenheit einer Mannschaft, die in dieser Form Maßstäbe setzte.

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Arjun Erigaisi (links) gegen Nodirbek Abdusattorov - zu dieser Paarung könnte es auch 2025/26 kommen, wenn D'dorf gegen Viernheim spielt. Allerdings ist Erigaisi von Düsseldorf nach Deggendorf gewechselt. | Foto: Conrad Schormann

Hauptfinanzier Wadim Rosenstein hatte für seinen Traum vom deutschen Meistertitel tief in die Tasche gegriffen. In der vorletzten Runde, als der Titel bereits sicher war, saß er selbst am Brett – trotz einer DWZ von 1892. Die Niederlage änderte nichts an seiner Freude über den Triumph. Rosenstein stellte jedoch klar, dass Düsseldorf wohl nicht zur Serienmeisterschaft ansetzen werde, denn das finanzielle Engagement werde künftig nicht in gleicher Höhe fortgesetzt.

Umso gespannter wartete die Schachszene auf die Anfang August veröffentlichten Bundesliga-Kader – insbesondere den der Düsseldorfer. Doch die dürften es deutlich schwerer haben als im letzten Jahr. Denn leider – zumindest aus ihrer Sicht – sind die Top Ten, die auf schach.in in der Vereinsübersicht als "aktiv" unter „Düsseldorfer SK“ zu sehen sind, allesamt nicht für die Bundesliga gemeldet:

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Ein spekulierender Blick in die Zukunft: Die Ausgangslage hat sich verändert, und mit Wolfhagen kommt ein ehrgeiziger Aufsteiger hinzu. Doch ein Überraschungserfolg wird dem nordhessischen Neuling wohl kaum zugetraut.

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Willkommen zurück in der Bundesliga: Exweltmeister Ruslan Ponomariov hat beim Aufsteiger Wolfhagen angeheuert. | Foto: Johannes Winkler

Hier ein Überblick über die Teams in der kommenden Saison. Natürlich kann man nie wissen, wer letztlich ans Brett geht. Doch um die Kader besser vergleichbar zu machen, beziehen sich die Durchschnittswerte der Teams immer auf die ersten zehn gemeldeten Spieler, da die Zahlen an den Brettern dahinter doch oft stark abfallen:

Abgespeckter Kader beim Meister

Wie letztes Jahr beginnt die Vorschau mit dem Düsseldorfer SK. Doch was damals wie ein Blick in die Top 20 der Weltrangliste anmutete, lässt dieses Jahr wohl eher den Kampf um einen Mittelplatzplatz vermuten. Mit einem Schnitt von 2540 Elo an den Topbrettern liegt man rund 200 Punkte unter dem letztjährigen und rangiert in der Setzliste damit auf Rang 12: Neu am Spitzenbrett ist der unter FIDE-Flagge spielende Volodar Murzin, der im vergangenen Jahr überraschend die Schnellschach-WM in New York gewann. An Brett 2 ist mit Victor Bologan ein einziger weiterer GM über 2600 geratet – zum Vergleich: Letzte Saison lagen die Top 9 allesamt über 2720 Elo. Mit dem ehemaligen Weltranglistenvierten Ulf Andersson (74, Elo 2519) kehrt eine Legende des Sports in den Kader und damit in die Bundesliga zurück.

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Willkommen zurück in der Bundesliga: Ulf Andersson (rechts) spielt 2025/26 wieder für den Düsseldorfer SK, Jan Timman nicht. | Foto: Düsseldorfer SK 

Düsseldorf

Ø2540,7

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Nach dem Blick auf den Vorjahresmeister erstmal zu den kommenden Titelaspiranten

Meisterkandidaten

OSG Baden-Baden (Eloschnitt Top 10: 2737,4)

Sicher wurmt es den einen oder anderen Baden-Badener, dass die endlos scheinende Erfolgsserie nun schon zwei Jahre unterbrochen ist. Doch in die Saison 2025/26 starten die Vorjahresdritten als Topfavorit. Zwar gehen sie mit einem 2700er weniger an den Start als Düsseldorf in der letzten Saison, doch neun Spieler dieser Klasse und weitere sieben 2600er unterstreichen den Titelwunsch. Neu im Team ist Anish Giri an Brett 3 und außerdem verpflichtete man den besten Punktesammler der letzten Spielzeit, Javokhir Sindarov, beide aus Düsseldorf. Der Usbeke, der in der Vorsaison 12 von 14 Punkten holte, ist an Platz 8 gemeldet. Eine weitere namhafte Verpflichtung kommt vom Haburger SK: der junge Inder Nihal Sarin, dem wohl in Kürze auch der Sprung über die 2700 gelingen könnte. Caruana-Fans hoffen sicher, dass er, der letzte Saison keinen Einsatz hatte, kommende Saison spielen wird.

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Javokhir Sindarov, vergangene Saison Topscorer in Düsseldorf, spielt 2025/26 für Baden-Baden. | Foto: Conrad Schormann

Ein Blick auf den Kader:

Baden-Baden Ø2737,4

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SC Viernheim Ø2694,3

Der Meister von 2024 und Vizemeister von 2025 ist an Rang zwei der Setzliste – allerdings mit über 40 Punkten Abstand. Hikaru Nakamura verlässt den Verein – in Anbetracht der Tatsache, dass er, wie Caruana, letzte Saison ohnehin nicht spielte, ist das wohl zu verkraften. Nodirbek Abdusattorov rückt somit ans Spitzenbrett. Die jungen Spieler Aravindh Chithambaram und Yagiz Kaan Erdogmus rückten etwas nach vorne. Neu im Team an Brett 7 ist Jorden van Foreest gemeldet. Insgesamt setzt der erfolgreiche Verein der letzten Jahre auf Konstanz und rechnet sich sicher Außenseiterchancen aus.

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Erste Annäherung zwischen Jorden van Foreest, noch im Düsseldorfer Dress, und seinem künftigen Teamchef Stefan Martin (Viernheim) beim Saisonfinale 2025. | Foto: Conrad Schormann

Viernheim Ø2694,3

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FC St. Pauli (2632,4)

Da von den beiden in der Rangliste folgenden Teams eine Lücke zu den dahinter liegenden klafft und außerdem das Pauli-Aushängeschild Magnus Carlsen seinen Verein als Titelkandidat innerhalb der nächsten drei Jahre ins Gespräch gebracht hat, sei der Nordklub in dieser Topkategorie angeführt. Doch realistisch betrachtet dürfte es schwierig sein, an Baden-Baden, das über 100 Punkte pro Brett mehr auf die Waage wirft, dranzubleiben. Und der Schnitt der Hamburger sinkt auch noch deutlich, wenn Carlsen nicht spielt – was wohl meistens der Fall sein wird. Allerdings ist sein Einsatz beim Heimspielwochenende 7./8. Februar schon angekündigt. Als Aufsteiger landete der Club letztes Jahr auf einem recht sicheren 12. Platz. Drei starke neue Spieler in den Top 10 stimmen aber durchaus optimistisch für die neue Saison: Nikolaos Theodorou, Elham Amar und Jesper Sondergaard Thybo.

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Noch mehr Norwegen-Power für den FC St. Pauli: Elham Amar beim Münchner Pfingst-Open, das er gewann. | Foto: Sebastian Siebrecht

St. Pauli Ø2632,4

s

Schachfreunde Deizisau (2610,1)

Wie üblich gehören die Schachfreunde Deizisau zu den Kandidaten für die vorderen Plätze. Spielt Carlsen bei Pauli nicht, haben beide Vereine etwa denselben Eloschnitt. Der zweifache Europameister Matthias Blübaum führt die Süddeutschen als Spitzenbrett in die Saison. Doppel-Teamchef Sven Noppes (Baden-Baden und Deizisau) hat den einstigen Top-Ten-Spieler  Sergei Movsesian (Brett 7) von Baden-Baden nach Deizisau rochiert.

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WM-Kandidat Matthias Blübaum könnte seinem Team beim Saisonfinale fehlen, sollte das Kandidatenturnier mit der Bundesliga-Endrunde kollidieren. | Foto: Michal Walusza/FIDE

Deizisau Ø2610,1

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Mittelfeld

Das Nachsehen im Kampf um die Stars haben die anderen Teams. Doch in der Mitte der Tabelle dürfte es gerade deshalb spannende Kämpfe geben: Sechs Mannschaften liegen lediglich 20 Elopunkte auseinander. Bemerkenswert, dass dabei mit den Schachfreunden Wolfhagen (2598,4) aus der Nähe von Kassel, ein Aufsteiger knapp die Nase vorne hat. Teamleader Andrej Volokitin spielt wie in der Aufstiegssaison an Brett 1. Ansonsten sind auch die Bretter 6 bis 8 nach wie vor dabei. Alle anderen Topbretter sind als Verstärkung hinzugekommen. Herausragend dabei ist natürlich ein Name: Ruslan Ponomariov, seines Zeichens FIDE-Weltmeister von 2002 bis 2004:

Wolfhagen Ø2598,4

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Rund sechseinhalb Elopunkte dahinter folgt der SV Werder Bremen (2591,8). Der Traditionsclub hat Haik Martirosyan (ARM/2628) ein neues Spitzenbrett verpflichtet und außerdem den Polen Szymon Gumularz (2591) neu unter Vertrag. Traditionell sind im Bremer Kader eine Reihe von Plätzen für die vereinseigene Nachwusschmiede reserviert. Neu in der Riege der jungen Wilden an den unteren Brettern ist CM Max Weidenhöfer.

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Werder Bremen ohne Lara Schulze? Kaum vorstellbar. In die Top 10 des Bremer Kaders hat es die Nationalspielering gleichwohl noch nicht geschafft. | Foto: Arne Jachmann/DSB

Werder Ø2591,8

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In der Rangliste folgt der FC Bayern München (2589,4), bei dem Amin Tabatabaei nicht mehr an Bord ist. Dafür sind mit Kirill Alexeenko und Nihat Abasov zwei ehemalige WM-Kandidaten neu in den Kader gekommen.

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Kirill Alekseenko, ehemaliger WM-Kandidat jetzt unter österreichischer Flagge und beim FC Bayern. | Foto: Conrad Schormann

FC Bayern Ø2589,4

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Weiter geht es mit dem mehrfachen Meister SG Solingen (2586,4). Der Traditionsverein aus NRW schloss die Vorsaison lediglich als Neunter ab, verstärkte sich nun aber sehr stark mit David Navara aus Tschechien, der vom Absteiger Mülheim kam. Da der Rest des Teams zusammenblieb, strebt man in der Klingenstadt sicher wieder in höhere Tabellenregionen.

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Von Mülheim nach Solingen: David Navara. | Foto: Christian Hoffmann/SC Viernheim

Solingen Ø2586,4

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Arjun Erigaisi: Neuzugang in Deggendorf

Spektakuläres gibt es aus der bayerischen Provinz zu vermelden: Der SV Deggendorf (2584,7) nahm tatsächlich Arjun Erigaisi unter Vertrag! Natürlich übernimmt die Nummer 5 der Weltrangliste das erste Brett. Vergangenes Jahr erzielte er 4 von 6 möglichen Punkten an Brett 1 der Düsseldorfer. Es wird spannend zu sehen, ob für die Deggendorfer mit dem Weltstar mehr als der zehnte Rang der Vorsaison möglich ist. Teamchef Johannes Grabmeier auf jeden Fall hofft schon auf eine Saison frei von Abstiegssorgen und verrät, wie es zu dem Coup kam: „Wir haben schon länger indische Spieler im Team. Die tauschen sich untereinander auch aus und erzählen weiter, wie schön es in Deggendorf ist. Und wäre Erigaisi nicht nach Düsseldorf gegangen, wäre er wohl vorher schon bei uns gelandet.“ Relativ unspektakulär also, allerdings schon interessant, dass es vor zwei Jahren Erigaisi war, der den Kontakt nach Deggendorf suchte.

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Komplettiert wird dieses enge Mittelfeld vom Hamburger SK (2582,4), der 2024/25 auf Rang 5 abschloss. Spitzenbrett Nihal Sarin spielt, wie oben erwähnt, künftig für Baden-Baden und Leonardo Costa wechselt zum Aufsteiger MSA Zugzwang. Verstärkt wird das Team durch Bundestrainer Jan Gustafsson, der aus Düsseldorf zurückwechselt. Nach wie vor stellen die Hanseaten ein Team mit vielen Eigengewächsen aus der HSK-Großmeisterschmiede.

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Zurück in Hamburg: Bundestrainer Jan Gustafsson. | Foto: Angelika Valkova/SC Viernheim

HSK Ø2582,4

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Wer entkommt dem Abstiegsstrudel?

Nach den vorgenannten Vereinen klafft, wie beschrieben, eine weitere Lücke zu den bislang nicht näher betrachteten Teams. Hier deren prominenteste Zu-/Abgänge:

SK Kirchweyhe: Alexandr Predke (SRB/2617), Sasa Martinovic (CRO, 2551), Bojan Maksimovic (BIH/2513) / Ediz Gurel (TUR/2636)

Kirchweyhe Ø2564

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SC Heimbach-Weis-Neuwied: Aram Hakobyan (ARM, 2625)

HeimWeisNe Ø2538,4

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USV TU Dresden: Juraj Druska (SVK, 2454) / Grezgorz Gajewski (POL, 2547)

Dresden Ø2528,3

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MSA Zugzwang: Der Aufsteiger hat mit Vitaly Kunin und Leonardo Costa zwei starke Neuzugänge verpflichtet.

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Leonardo Costa wird sich auf seiner Reise Richtung 2600 freuen, am zweiten Brett der Münchner 15 starke Gegner vorgesetzt zu bekommen. | Foto: Conrad Schormann

MSA Zugzwang Ø2499,9

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SF Berlin: Marius Fromm (GER, 2407), Raphael Lagunow (GER, 2433) / Maksim Chigaev (ESP, 2635)

SF Berlin Ø2495

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Die finale Runde findet in dieser Saison vom 24. bis 26. April in Berlin statt. Vermutlich wird an diesem Wochenende die Meisterschaft entschieden – ein spannendes Rennen dürfte auf jeden Fall erwartet werden: In Runde 14 treffen Baden-Baden und Viernheim aufeinander, und in der Schlussrunde muss Baden-Baden gegen Aufsteiger Wolfhagen antreten. Nicht weniger dramatisch geht es wohl am Ende der Tabelle zu: Vielleicht beflügelt das ja den auf Rang 16 in der Setzliste geführten Aufsteiger SF Berlin, der es schwer haben dürfte, das rettende Ufer zu erreichen. Am finalen Wochenende trifft Berlin unter anderem auf Dresden und Kirchweyhe. Drei Mannschaften wird der Abstiegsstrudel am Ende in Liga 2 spülen.

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