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„Unsere Jungs sind müde“, sagt Patrick Bittner, Vositzender OSG Baden-Baden, vor der entscheidenden Runde, in der eben diese Jungs den Titel des Deutschen Mannschaftsmeisters verteidigen müssen. Lange habe es gar kein Schach am Brett gegeben, und nun waren drei Doppelrunden am Stück zu absolvieren: „Das kennen die gar nicht mehr.“

Nominell standen die Baden-Badener mit Fabiano Caruana, Viswanathan Anand, Maxime Vachier-Lagrave, Richard Rapport und anderen Elitegroßmeistern in der Schachbundesliga über den Dingen. Im Wettkampfbetrieb wurde es knapper, als ihnen lieb war. Am Ende brauchte die OSG Baden-Baden ein wenig Glück, um den Titel des Deutschen Mannschaftsmeisters zu verteidigen. Jetzt haben sie ihn zum 15. Mal gewonnen – am Ende einer denkwürdigen Saison, der längsten in der Geschichte der höchsten deutschen und weltstärksten Spielklasse.

Die zwölf Schachspieler des FC Bayern München waren bei der Bundesliga-Schlussrunde alle heiß auf die Weltauswahl der OSG Baden-Baden. „Ein Höhepunkt. Alle wollten spielen“, berichtete Teamchef Jörg Wengler aus Berlin. Doch nur acht konnte er gegen den deutschen Meister an die Bretter schicken – und wählte die acht Richtigen. Die Kurstädter unterschätzten derweil wohl etwas den „kleinen“ FCB und ließen wegen der täglichen Doppelrunden Asse wie Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) und den WM-Kandidaten Maxime Vachier-Lagrave auf der Bank.

Die 15. und letzte Runde der zentralen Endrunde der Schach-Bundesliga in Berlin stand an vielen Brettern unter dem Zeichen „ausrollen“ lassen. Die Meisterschaft war praktisch entschieden, und so sah man angesichts der hohen Strapazen der drei Doppelrunden an den Tagen zuvor doch einige verständliche kurze Remisen. Die Saison wird als die längste Saison aller Zeiten eingehen, startete sie doch bereits 2019 und wurde Corona-bedingt nun unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen zu Ende gespielt. 7 Runden in 4 Tagen nach monatelanger Pause waren auch für die einiges gewohnten Profis eine ungewöhnliche Herausforderung. Austragungsort war das wunderschön zentral gelegene Maritim-Hotel in Berlin, dessen großer Saal mehr als genug Platz für die 15 Mannschaften bot.

Das Münchner Derby am Samstag in der Schach-Bundesliga erinnert stark an den Klassiker im Fußball: Die „Sechzger“ als krasser Außenseiter, der FC Bayern München in der haushohen Favoritenrolle, auch wenn die große Zeit der Bayern als Schach-Serienmeister schon mehr als ein Vierteljahrhundert her ist. „Die Situation ist mit 1860 vergleichbar, wir sind auch traditionsreich“, meint Michael Reiß vom Münchener Schachclub 1836, der bis in die 60er Jahre mit Wolfgang Unzicker das bundesdeutsche Schach beherrschte. Aber, betont der Vorsitzende des MSC 1836 im nächsten Atemzug: „Heutzutage haben wir keine Chance gegen die Bayern! Die haben eine tolle Mannschaft. Diesbezüglich muss ich ihnen Respekt zollen.“

Oben ein Vier-, unten ein Dreikampf. Als Sieger des elften Spieltags am Donnerstag dürfen sich die bislang glücklosen Augsburger fühlen, die doppelt punkteten, während ihre Tabellennachbarn Düsseldorf und Dresden Befreiungsschläge verpassten. Nach einem 7,5:0,5 über König Tegel bleibt für Augsburg die Chance greifbar, am Ende auf einem Nichtabstiegsplatz zu stehen, während die Berliner davon ausgehen müssen, dass ihr Jahr in der höchsten Spielklasse mit dem Abstieg endet. Augsburg, Dresden und Düsseldorf bilden jetzt das Trio mit vier Punkten, das um den Platz überm Strich kämpft.

Weil Düsseldorf die wankenden Solinger nicht umzustoßen vermochte, weil zudem Hamburg gegen Baden-Baden mehr als zwei Svanes gebraucht hätte, bleibt oben alles beim Alten. Viernheim und Baden-Baden marschieren vorneweg, Solingen und Deizisau bleiben auf Tuchfühlung. Dahinter: sieben Mannschaften, die das Abenteuer GRENKE-Endrunde ohne Druck genießen können.

Deizisau ist draußen. Nach der 3:5-Niederlage des Vizemeisters gegen den Hamburger SK am zwölften Spieltag bleiben drei Teams, die um die Meisterschaft kämpfen: Viernheim, Baden-Baden und Solingen. Die SF Deizisau liegen drei Spieltage vor Saisonende als Vierter jetzt sechs Punkte zurück.

Dresden könnte drinbleiben. Zumindest haben sich die Dresdner im Dreikampf um den Platz überm Strich mit ihrem Sieg am Freitag über König Tegel einen kleinen Vorsprung erarbeitet. Entscheiden werden die direkten Vergleiche in den letzten drei Runden. Dresden, Düsseldorf und Augsburg spielen noch untereinander sowie gegen Aachen.

Nach Richard Rapport erschien am Freitag ein weiterer Import vom Kandidatenturnier in Madrid an den Baden-Badener Brettern. Fabiano Caruana war angetreten, um sicherzustellen, dass vor den entscheidenden Matches gegen Deizisau (Samstagvormittag) und Viernheim (Samstagabend) die weiße Baden-Badener Weste unbefleckt bleibt. Viernheim, 8:0-Sieger über Düsseldorf, konterte diese Personalie mit dem Einsatz von Shakh Mamedyarov. Nun ist die Frage, ob Baden-Baden am Samstag noch einmal personell nachlegt. Der Baden-Badener Edelkader würde zum Beispiel erlauben, mit Anish Giri einen weiteren Weltklassespieler in die entscheidenden Gefechte zu schicken.

Die OSG Baden-Baden steht vor der Titelverteidigung. Am 14. Spieltag im mutmaßlich entscheidenden Match gegen den punktgleichen Co-Tabellenführer SC Viernheim gelang den Badenern ein 5:3-Sieg. Am Sonntag gegen den Tabellendritten SG Solingen würde Baden-Baden ein 4:4 zur erneuten Meisterschaft reichen. Es wäre der 15. Titel in 16 Spielzeiten.

Die vier Absteiger in die zweite Bundesliga stehen fest. Augsburg, Düsseldorf, König Tegel Berlin und Aachen werden in der kommenden Saison in der zweiten Bundesliga spielen. Dresden hat sich durch ein 6,5:1,5 gegen Aachen gerettet, während Düsseldorf ein 4:4 gegen Augsburg nicht reichte. Nur im Fall eines Sieges hätten die Düsseldorfer die Chance gehabt, am 15. Spieltag Dresden durch einen Sieg im direkten Vergleich zu überholen.

 

Im Endspiel in der fünften Stunde entschieden die Titelverteidiger aus Baden-Baden den zentralen Kampf der Saison am 14. Spieltag gegen den punktgleichen Co-Tabellenführer Viernheim für sich. Wie praktisch, dass für die Schachbundesliga der führende Endspielexperte der Welt (darunter machen wir es nicht) bereit steht, Endspielfeinheiten zu erhellen und -geheimnisse zu lüften. Karsten Müller nimmt unter die Lupe, was am Samstag geschah - und Georgios Souleidis auch. Der große Grieche hat wenige Stunden nach dem Ende der 14. Runde ein Video zum Bundesligafinale veröffentlicht.

Es war eine kuriose Saison, die kürzeste der Bundesligageschichte, die erste, die in einem Fußballstadion endete. Da passt es ins Bild, dass der letzte Spieltag mit einer Kuriosität begann und mit einer endete.

Die Uhr zeigte 10, da begannen Sergey Fedorchuk (Viernheim) und Andreas Heimann (Deizisau) ihre Partie. Sofort trat Turnierdirektor Gregor Johann heran - und pfiff die beiden Großmeister zurück. Gespielt werden darf erst, wenn mindestens vier Spieler einer Mannschaft anwesend sind. Die Viernheimer, zwei Minuten verspätet, waren aber erst zu dritt, als die beiden 2600er am sechsten Brett losgespielt hatten. Johann ließ die beiden noch einmal beginnen.

Der letzte Handschlag der Saison 2022: Stepan Zilka (links) und Arik Braun. | Alle Fotos: Paul-Meyer Dunker/Schachbund
Der letzte Handschlag der Saison 2022: Stepan Zilka (links) und Arik Braun. | Alle Fotos: Paul-Meyer Dunker/Schachbund

Die Uhr zeigte 16.30, da spielten ein Brett weiter Arik Braun (Viernheim) und Stepan Zilka (Deizisau) immer noch. Baden-Baden stand längst als Meister fest, alle Beteiligten sehnten die Siegerehrung herbei - nur diese beiden hatten sich beim Stand von 3,5:3,5 in ein Endspiel verbissen, das Zilka mit aller Macht gewinnen wollte, so sehr, dass er am Ende aufpassen musste, mit seinem Springer gegen drei Bauern nicht zu verlieren. Die Seeschlange und mutmaßlich (?) längste Partie der Saison endete nach 156 Zügen mit einem Patt.

Dass die OSG Baden-Baden zum 16. Mal in 17 Jahren deutscher Mannschaftsmeister wird, war keine Überraschung. Die Weltauswahl aus der Kurstadt schlug im direkten Duell den SC Viernheim mit 5:3 und lag am Ende der Bundesliga-Saison mit makellosen 30:0 Punkten vor dem Verfolger (27:3). Eine größere Überraschung war hingegen bei der Endrunde im Bremer Weserstadion, dass der Münchener SC 1836 im Derby den FC Bayern München mit 4,5:3,5 bezwang. Zudem überflügelte der Aufsteiger bei jeweils 15:15 Zählern die Bayern dank der Brettpunkte mit 63 gegenüber 62 hauchdünn als Tabellenneunter.

Ein Rückblick auf die Saison und die GRENKE-Endrunde von Rainer Polzin

SF Berlin I, unsere erste Mannschaft in der Schachbundesliga, war wie fast immer in den letzten 25 Jahren mit dem Ziel Klassenerhalt in die neue Spielzeit gestartet. Die Vorsaison war mit Platz 7 und der Endrunde in Berlin gut gelaufen, eine Wiederholung schien dank der starken Konkurrenz ausgeschlossen. Der Saisonstart war solide, gute Ergebnisse wie der Sieg gegen München 1836 und das tolle Unentschieden gegen die Schachfreunde Deizisau wechselten sich mit eher schwächeren Vorstellungen wie gegen Düsseldorf ab. Aber im Sinne des Klassenerhalts lief es gut. Vor dem Finale in Bremen standen wir mit 9-11 Punkten auf einem ordentlichen 10. Platz, nach unten ging fast nichts mehr.