Düsseldorf ohne Olympiasieger, Solingen mit (1. Spieltag)
In der Geschichte des Schachsports ist es 15 Spielern gelungen, ihre Elozahl über 2800 zu heben. Einer von denen, Anish Giri, hat das (im Februar 2015) nur in der Liveliste geschafft, seine 2800+ aber nie in der monatlichen FIDE-Liste schwarz auf Weiß sehen dürfen. Nun hätte Giri zum Bundesligaauftakt in Kirchweyhe Zeuge werden können, wie zwei seiner Düsseldorfer Mannschaftskameraden das 16. und 17. Mitglied im 2800-Club werden. Dass es dazu entgegen aller Erwartung nicht kommt, liegt unter anderem am indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi.
Die Frage, ob und mit wie vielen Schacholympia-Gewinnern die Düsseldorfer den Saisonauftakt bestreiten, beschäftigte in den Tagen vor dem Bundesligaauftakt manchen Schachfan. Anfang der Woche hatte Arjun Erigaisi, Elo 2797,2 (plus 19 bei Olympia), in einem Interview angekündigt, er werde spielen. Vielleicht würde sich ja WM-Herausforderer Gukesh, Elo 2794.1 (plus 30!), dazugesellen?
Als die indischen Schacholympia-Triumphatoren in der ablaufenden Woche kurzfristig eine Einladung des Staatschefs des bevölkerungsreichsten Lands der Welt ereilte, dürfte das zumindest Erigaisis Reisepläne durcheinandergewürfelt haben. Erigaisi fuhr zu Modi, und Düsseldorf trat gänzlich ohne Inder in Kirchweyhe an. Trotzdem saß im Schachpalast des dort beheimateten SK ein Olympiasieger an den Brettern - kein Düsseldorfer, ein Solinger. Harikrishna, der in Prag lebt, hatte als einziger indischer Nationalspieler den Empfang in Neu-Delhi ausgelassen. Den Bundesligaauftakt mit seiner Solinger SG ließ er nicht aus.
Die Paarungen in Kirchweyhe haben die vier betroffenen Teams auf Wunsch des Düsseldorfer SK (wegen einer Terminkollision mit der Global Chess League) um eine Woche vorgezogen. Die restlichen Begegnungen des ersten Spieltags finden am kommenden Wochenende statt.
Für Düsseldorfer Verhältnisse eine moderate Aufstellung: das Team des Aufsteigers mit Clubpräsident und Kapitän Jan Werner. | via Düsseldorfer SK
Hätte nicht rechts von seinem Tisch eine Säule die Sicht aufs Nachbarbrett verdeckt, Goldmedaillen-Gewinner Harikrishna hätte schräg gegenüber einen weiteren Schacholympia-Helden gesehen. Der türkische Wunderknabe Ediz Gurel (15) hat für die Türkei durchgespielt, ohne Niederlage aus 11 Partien 9 Punkte geholt und noch dazu mit einer 2755-Performance Bronze am zweiten Brett.
In seinem Bundesliga-Debüt konnte Gurel an diese Serie nicht anknüpfen. Als am vierten Brett Hrvoje Stevic und Markus Ragger die erste beendete Partie der Saison 2024/25 mit einer Punkteteilung beschlossen, hatte auf Solinger Seite der zuletzt auf 2679 Elo gekletterte Max Warmerdam seinen Sturm gegen Gurels König schon vorbereitet. Als dieser Sturm losbrach, war es bald vorbei. 2:1 für Solingen, eine Führung, der die Hausherren nachliefen, bis Erik van den Doel im niederländischen Duell gegen Loek van Wely den Ausgleich besorgte.
Beim Stand von 3:3 und einem absehbaren Remis zwischen Robert Zelcic und Alexander Krastev war aus Solinger Sicht die bange Frage, ob Mads Andersen sein gewonnenes Turmendspiel mit einem Mehrbauern gewinnt. Am Ende kombinierte Andersen zwei Drohungen, den Durchmarsch seines Freibauern und ein Matt. Beides ließ sich nicht parieren, und Solingen hatte einen ersten Brocken im Kampf um die vorderen Plätze aus dem Weg geräumt.
"Ein bisschen" habe ihnen Narendra Modi in die Aufstellung gefunkt, räumte Düsseldorfs Vorsitzender und Teamkapitän Jan Werner ein. Aber auch gegen den mit der zweiten Garnitur und nur einem Inder angetretenen Aufsteiger repräsentierte das Duell Mülheim vs. Düsseldorf einen Vergleich David vs. Goliath. Mülheim, am Ende der vergangenen Saison dank des Rückzugs von Ötigheim nicht abgestiegen, wird in einer nochmal stärkeren Liga einmal mehr darum kämpfen, die Klasse zu halten. Das Düsseldorfer Ziel ist am anderen, oberen Ende der Tabelle angesiedelt.
Der Kampf sah lange nicht so klar aus, wie es das deutliche Ergebnis vermuten lässt. Gleichwohl war der Verlauf ein typischer. Nach und nach drehte sich eine Partie nach der anderen in Richtung des Eloübergewichts, und noch dazu gewannen die Mülheimer die einzige für sie günstige Partie nicht. Das war die am achten Brett, wo mit Tom Dordevic und Philipp Leon Klaska zwei ehemalige Vereinskameraden vom Düsseldorfer SV (sic) aufeinandertrafen, die einzigen beiden Spieler im Raum ohne Titel.
Schon ausgangs der Eröffnung bestrafte Andrey Esipenko ein taktisches Vabanque-Spiel von Volkmar Dinstuhl. Wenig später verpasste am ersten Brett Thomas Beerdsen gegen Anish Giri eine versteckte Möglichkeit, gutes Spiel zu bekommen, und geriet stattdessen in Schwierigkeiten. Aber es war dem zweiten Olympiasieger im Raum vorbehalten, auf 2:0 zu stellen, Javokhir SIndarov, der vor zwei Jahren mit Usbekistan den großen Nationenwettbewerb gewonnen hat.
Beim Stande von 6:1 kämpfte als Letzter Victor Bologan, der sich gegen Bernhard Stillger zwischenzeitlich zwei Mehrbauern und ein (nach Engine-Maßstäben) gewonnenes Endspiel herausgekämpft hatte. Da sah es noch nicht nach einer Partie aus, die die längste der Saison sein könnte. Die zähe Verteidigung des Amateurs hielt und hielt und hielt. Nach 120 Zügen fügte sich Bologan ins Unentschieden.