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Deutscher Meister SC Viernheim / Remagen steigt ab (14. Spieltag)

Der SC Viernheim ist Deutscher Meister 2024. Nach einem 5:3-Sieg am 14. Spieltag über den SV Werder Bremen führen die Südhessen eine Runde vor Schluss uneinholbar die Tabelle an. Die Viernheimer lösen mit diesem Erfolg Serienmeister und Titelverteidiger OSG-Baden-Baden ab. Der Meistertitel 2024 ist der erste für den 1934 gegründeten Club. 

Abgestiegen ist der SC Remagen-Sinzig. Nach einem 3:5 gegen den USV TU Dresden ist die theoretische Chance auf den Klassenerhalt dahin. Zum Abschied aus der ersten Liga machten die Remagener beim zentralen Spieltag in Hannover allen Beteiligten ein Geschenk in Person von Wassily Iwantschuk. Der ukrainische Gigant des Denksports absolvierte im Match gegen Dresden seine erste Bundesligapartie der Saison 2023/24. 

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Wassily Iwantschuk traf bei der Remagener Niederlage gegen Dresden am ersten Brett auf Liviu Dieter Nisipeanu. | Foto: Niklas Prahl

Wer als vierter Absteiger den HSK Lister Turm, die Münchner Schachakademie und den SC Remagen-Sinzig in die neue zweigeteilte zweite Liga begleitet, klärt sich am Sonntag am 15. und letzten Spieltag der Saison.  

Der Meister-Moment: Velimir Ivic (links) und Jan-Krzysztof Duda haben das Brett abgeräumt, Handschlag, Unentschieden. Mit diesem Remis hatte Viernheim 4,5 Punkte und den Titel sicher. | Foto: Rupert Helbig

Abschiedsgeschenke verteilte auch der HSK Lister Turm, zuvorderst das einer zentralen Runde fürs Schachpublikum, das in Hannover an diesem Wochenende um die 50 Großmeister erlebt. Außerdem an seine Spieler. Zum Abschluss rotierten die Hannoveraner mit Moritz Gentemann sowie den Brüdern Martin und Rudi Hörstmann ein Trio ins Team, das beim vorletzten Heimspiel Saisonpremiere feierte. Damit hat jeder der für Hannover gemeldeten Spieler zumindest einen Saisoneinsatz gehabt. 

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Volles Haus zum Abschied aus der Bundesliga beim HSK Lister Turm. | Foto: Niklas Prahl

Dass die Viernheimer gegen den Tabellendritten nicht in Bestbesetzung antreten würden, wussten alle, die das Teilnehmerfeld des am Samstag beginnenden Tepe-Sigeman-Turniers in Schweden gesehen hatten. Anstatt Seite an Seite für Viernheim in der Bundesliga spielten Nodirbek Abdusattorov und Anton Korobov in Malmö gegeneinander. Dem Routinier Korobov gelang ein unerwarteter Sieg gegen den Youngster, der damit vom fünften auf den achten Rang der Weltrangliste fiel. Neben Abdusattorov und Korobov fehlte auch Hikaru Nakamura zum Saisonfinale.  

Die Baden-Badener mit ihrer eher theoretischen Titelchance dürften leichter verschmerzt haben, dass bei ihnen in Mülheim mit Vincent Keymer einer ihrer Besten fehlte. Die Titelverteidiger selbst waren nicht mehr davon ausgegangen, dass sich Viernheim die Meisterschaft nehmen lässt. Die Solinger Lokalpresse stimmte zu: “Bei der badischen Entthronung in der ersten Reihe” sitze an diesem Wochenende die Solinger Mannschaft (die ebenfalls in Mülheim spielte), formulierte das Solinger Tageblatt. 

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Luisa Bashylina bei ihrem ersten Bundesligaeinsatz für Solingen. Ihre Mannschaft trennte sich unentschieden von Ötigheim, sie trennte sich unentschieden von Kolja Kühn. Im Hintergrund spaziert Exweltmeister Rustam Kasimdzhanov einer Entthronung trotz Kantersieg entgegen. | Foto: Ulrich Geilmann

Auch zu den Gastgebern in Mülheim gab die dortige Lokalpresse eine Diagnose ab. “Klassenerhalt gelungen, das 20. Jahr in der ersten Liga gesichert”, erfuhren die Leser des Mülheimer Lokalkompass’, eine Einschätzung, die die Mülheimer Aufstellung erklären könnte: Die Nummer acht an Brett eins, die Nummer neun an zwei und so weiter.  

Nur stimmt eben nicht, was der Lokalkompass sagt. Mülheim-Nord hat gute Chancen, aber wer sicher drinbleiben will, braucht 13 Punkte. Die Mülheimer haben deren 12. Wenn stimmt, was das Liga-Orakel sagt, steht die Klassenerhaltchance bei 83,1 Prozent. 

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Patrick Zelbel (r.) und seine Mülheimer haben das rettende Ufer noch nicht erreicht. Gegen Alexei Shirov, Alexander Donchenko & Co. setzte es ein 2:6. | Foto: Michael Stadel

Nicht in Mülheim, sondern in Hannover war Baden-Badens Teamchef Sven Noppes zugegen. Kurz vor Beginn der Partien brachte Noppes den Henkelpott in den Toto-Lotto-Saal der Akademie des Sports, wo sich acht Teams auf 350 Quadratmeter verteilten. Diese einstige Dauerleihgabe an die OSG Baden-Baden geht nun nach Hessen. 

Es fehlten weitere Utensilien, gar nicht so sehr der Koffer von Parham Maghsoodloo, der dem iranischen Großmeister auf der Reise abhandengekommen war, vielmehr Partieformulare. Dass niemand die unverzichtbaren Papiere zum Mitschreiben der Partie mitgebracht hatte, fiel erst kurz vor Beginn auf, sodass sich der Anpfiff verzögerte.  

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Gastgeber Kiel besiegte ebendort die schon abgestiegenen, aber sich wacker wehrenden Vertreter von MSA mit 4,5:3,5. Parallel wahrte der Hamburger SK mit einem Sieg über Bayern München die Chance auf den Klassenerhalt. | Foto: Finn Petersen

Für die versammelten Amts- und Würdenträger wäre das eine Gelegenheit gewesen, der Überbrückung wegen zur Begrüßung ausschweifender zu reden als sonst. Trotz der augenzwinkernden Aufforderung von Co-Gastgeber Michael S. Langer, Präsident des Niedersächsischen Schachverbands, sich lang zu fassen, nahm niemand die Gelegenheit wahr. Stattdessen: Warten auf die Formulare, die kurzfristig aus dem Lister Turm herangeschafft wurden.  

Als die Matches liefen, stand bald die Frage im Raum, ob diese Saison auch am oberen Ende der Tabelle nochmal knapp wird. Statt einer Entthronung der Baden-Badener spielte sich in Mülheim erst einmal eine Demontage des SV Mülheim-Nord ab. Die Baden-Badener gewannen eine Partie nach der anderen und waren in der Tabelle bald bis auf einen Punkt an die strauchelnden Viernheimer herangerückt. 

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Kein Koffer, keine Zugwiederholung zum Matchsieg - Parham Maghsoodloo (rechts) hielt Fans und Betreuer in Atem. Das lag auch an einer von Zahar Efimenko scharf angelegten und couragiert geführten Partie, die die letzte noch laufende des Matches zwischen dem Tabellenersten und -dritten werden sollte. | Foto: Rupert Helbig

Die taten sich enorm schwer. Jan-Krzysztof Duda kam ein Bauer abhanden, Parham Maghsoodloo geriet in einen gefährlichen Königsangriff, und auf den unteren Brettern übersetzte sich der Elo- nicht in Stellungsvorteil. Verheißungsvoll sah es zwar bei Team-Säule Shakhriyar Mamedyarov aus, aber längst nicht klar, und auf der anderen Seite saß mit Luke McShane jemand, der sich erfindungsreich zu verteidigen weiß. 

Alle drei genannten kritischen Partien - Duda, Maghsoodloo, Mamedyarov – liefen ideal für Viernheim. Duda hielt, Maghsoodloo ebenfalls, Mamedyarov gewann. Maghsoodloo leistete sich sogar die Kühnheit, einer Zugwiederholung auszuweichen, die die 4,5 Punkte besiegelt hätte. Maghsoodloo spielte weiter, und so wurde Duda zum Matchwinner. Sein zwischenzeitlich verlorenes Turmendspiel mit zwei Minusbauern vermochte er in ein haltbares gegen den f- und den h-Bauern zu verwandeln. Am Ende stand es 5:3 nach einem Kampf, der lange in Waage gewesen war. 

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Ziel erreicht: Teamchef und Vereinsvorsitzender Stefan Martin (rechts) am Rande der Partien in Hannover mit Sponsor und d-fine-Mitgründer Markus von Rothkirch. | Foto: Rupert Helbig

“Wir sind stolz und glücklich”, sagt Teamchef und Vereinsvorsitzender Stefan Martin. Der Titel sei der verdiente Lohn für eine dominant geführte Saison. Nach 22/23 hat der SC Viernheim auch 23/24 die OSG Baden-Baden besiegt – und alle anderen Mannschaften ebenso. Am Sonntag ein Sieg über Kirchweyhe, und es stünden perfekte 30:0 Punkte zu Buche. Das hat zuletzt Baden-Baden in der Saison 21/22 geschafft. 

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Das sieht links nicht nach Siegermiene aus, aber Frederik Svanes Hamburger triumphierten über Valentin Dragnevs Münchner Bayern, sodass die Hanseaten den Klassenerhalt in der Hand behalten. Gewinnt Hamburg am letzten Spieltag gegen die Münchner Akademie, bleibt Hamburg drin. | Foto: Finn Petersen

Im Tabellenkeller geht der Vierkampf gegen den Abstieg in die finale Runde. Dresden, Mülheim, Hamburg oder Heimbach? Drei Mitglieder dieses Quartetts haben am Samstag doppelt gepunktet, eines nicht, Mülheim. Nun wird es einen dieser vier treffen. 

Das zentrale Match dieses Vierkampfs bestreiten Heimbach-Weis-Neuwied und Dresden in ihrer direkten Begegnung, die Heimbach gewinnen muss, um nicht auf Schützenhilfe der abgestiegenen Remagener angewiesen zu sein. Hamburg kann derweil mit einem Sieg über MSA Zugzwang die Klasse halten. Mülheim sollte gegen Ötigheim punkten, um nicht zittern zu müssen. 

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Roven Vogel (links) gewann am Samstag seine erste Partie als Großmeister. Die FIDE hat Ende der Woche die Titelverleihung an den einstigen U16-Weltmeister offiziell bestätigt. | Foto: Niklas Prahl

Alle Einzelergebnisse des 14. Spieltags

Nation
POL
Titel
GM
Elo
2734
DWZ
Punkte
6.5
Partien
9
Nation
GER
Titel
WFM
Elo
2262
DWZ
Punkte
0.5
Partien
2
Nation
AZE
Titel
GM
Elo
2734
DWZ
Punkte
11.5
Partien
15
Nation
UKR
Titel
GM
Elo
2609
DWZ
Punkte
1.5
Partien
2
Nation
IRI
Titel
GM
Elo
2733
DWZ
Punkte
8.5
Partien
11
Nation
SRB
Titel
GM
Elo
2596
DWZ
Punkte
7
Partien
11

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