Ein Aufsteiger vor Viernheim und Baden-Baden (2. Spieltag)
Ein Aufsteiger führt nach dem ersten Doppelspieltag die Tabelle an. Die ukrainische Auswahl der Schachfreunde Wolfhagen ist unter den drei Teams mit 4:0 Punkten das mit den meisten Brettpunkten (geteilt mit Viernheim) und der besten Brettwertung. Die favorisierten Supergroßmeisterriegen aus Viernheim und Baden-Baden müssen sich vorerst dahinter einreihen.
Dieser Dreikampf könnte bis zum Saisonfinale ab dem 24. April in Berlin andauern. Erst an den letzten drei Spieltagen werden Wolfhagen, Viernheim und Baden-Baden aufeinandertreffen und wahrscheinlich im direkten Vergleich klären, wer Deutscher Meister wird.
An den Brettern gab es einiges zu sehen, ein abermaliges Aufeinandertreffen von Vincent Keymer und Frederik Svane etwa. Oder eine Begegnung zweier Bundestrainer. Und dann ist da noch ein Düsseldorfer Jugendlicher, der mit zwei Siegen erheblich zum sehr ordentlichen Start des personell abgespeckten Deutschen Meisters beigetragen hat.
Schachbundesliga, zweiter Spieltag:

Exweltmeister Ruslan Ponomariov gab sich mit einem halben Punkt zufrieden, wo er bequem auf einen ganzen hätte gehen können. Die Überlegenheit seiner Mitspieler machte es möglich. | Foto: Angelika Valkova
Das zweite 4:4 zum Saisonauftakt für Deizisau gegen die Remisfachleute aus Kirchweyhe, auf eine Weise gerecht. Beim Stand von 3:3 drückte Rustem Dautow gegen Robert Zelcic auf den Sieg und erreichte dank seines entfernten Freibauern ein zwischenzeitlich gewonnenes Endspiel. Andererseits wäre nebenan Alexander Graf gegen Sanjin Culum sein Endspiel beinahe entglitten. Der Kirchweyher verpasste den Übergang in ein gewonnenes Bauern- bzw. auf lange Sicht Damenendspiel. Und so endeten beide Partien, die 1:0 hätten ausgehen können, mit 0,5:0,5, die Remisen Nummer sieben und acht an diesem Sonntag.
Kirchweyhe, Saisonziel: früh das rettende Ufer erreichen, kann mit dem Saisonstart zufrieden sein, Deizisau, Saisonziel: ein Platz an der Spitze, eher nicht. Den Württembergern droht jetzt ein verkorkster Saisonstart. Am nächsten Doppelspieltag 6./7. Dezember geht es gegen Tabellenführer Wolfhagen und Meisterschaftsmitfavorit Viernheim.
Eine sehenswerte Partie neben der anderen. Wild ging es zu zwischen den Deggendorfern und den selbsternannten Kellerkindern aus Solingen, die nach dem Pech vom Vortag diesmal schnell in Führung gingen. Dafür sorgte Alexander Krastev, der Nikola Sedlak aus der Eröffnung heraus überrannte.

Aber selbiges tat am Brett nebenan Aleksander Delchev, der gegen Jan Smeets erst eine Figur opferte, dann eines zweite mit dem Ziel, des Niederländers Monarchen im Zentrum festzunageln und zu erlegen. Das klappte nicht ganz, aber Delchev holte sich das Material plus Zugabe zurück und steuerte die Angelegenheit in ein gewonnenes Endspiel.

Als Neuzugang David Navara bei seiner Solinger Premiere gegen Martin Petrov plötzlich Material gewann, schienen die Solinger den Kampf glatt einzutüten. Dann drehte sich die Partie am dritten Brett. In Gewinnstellung verlor Max Warmerdam vollends den Faden, wurde von Egor Krivorobodov sehenswert auskombiniert, und es stand 3:3. Trotzdem lag weiter ein Solinger Sieg in der Luft, da in den beiden verbleibenden Partien Erwin l'Ami und Jörg Wegerle gegen Boban Bogosavljevic und Dominic Wisnet am Drücker waren. L'Ami remisierte, Wegerle gewann. und damit hatte Solingen das Match gewonnen - und den Deggendorfern das Heimwochenende verdorben. Auch wenn es zwei knappestmögliche Niederlagen setzte, jeweils 3,5:4,5, auf dem Konto stehen trotzdem null Punkte.

Nach dem Sieg über den Hamburger SK wartete nun die andere Hamburger Mannschaft auf die Gastgeber aus Heimbach. Dass diesmal nicht viel zu holen sein würde, zeichnete sich schon vor der Zeitnot ab. Zwar war viermal Frieden geschlossen worden, aber beim Stand von 2:2 drückte Nikolaos Theodorou gegen Leon Livaic auf den vollen Punkt, und alle anderen Bretter sahen tendenziell eher günstig für St. Pauli aus.

Den zweiten vollen Punkt für Pauli holte Jesper Sondergaard Thybo, der gegen Grzegorz Nasuta eine bizzare Endspielkonstellation auf dem Brett hatte: Zwei entfernte Freibauern, a und h, gegen zwei verbundene Freibauern, e und f, plus jeweils Turm und zwei Leichtfiguren auf beiden Seiten. Die Maschine sagt dazu natürlich 0,00, aber am Brett war es nicht so einfach. Und für den Heimbacher spätestens dann klar verloren, als ihm seine beiden Bauern abhanden gekommen waren.

Beide stehen nun mit 2:2 Punkten nicht so schlecht da und dürfen Hoffnungen hegen, dass bald weitere Punkte dazukommen. Am 6./7. Dezember geht es jeweils gegen Teams, die eher dem Mittelfeld oder der Abstiegszone zuzuordnen sind.
Die Schachfreunde aus Viernheim und Baden-Baden werden spätestens jetzt genau hinschauen. Wollen diese beiden an der Tabellenspitze den erwarteten Zweikampf austragen, sie müssen an Wolfhagen vorbei. Und die Wolfhagener, um einmal die Kristallkugel zuzuschalten, könnten Ende April in Berlin das Zünglein an der Waage sein. Dort nämlich werden sie auf die beiden Meisterschaftsanwärter treffen. Die werden allerdings spätestens dann in Bestbesetzung auflaufen.

Das Duell der Aufsteiger war eine klare Sache. Die 2:1-Führung besorgte Andreij Volokitin. Auf der anderen Seite des Brettes hatte Maksim Vavulin auf Kompensation für zwei Minusbauern gehofft, handelte sich aber bald taktische Probleme und schließlich eine Null ein. Da standen die meisten anderen Wolfhagener schon so gut, dass Ruslan Ponomariov eine günstige Stellung remis geben konnte. Auf Berliner Seite sollte nur Magnus Ermitsch ein wenig Druck haben. "Magnus hat schon die Hand am ersten vollen Brettpunkt übersieht aber eine Riposte des Gegners - remis", meldete schließlich der WhatsApp-Kanal der SF Berlin.

Die haben sich nun in der Tabelle mit null Punkten und 4,5 Brettpunkten ganz unten einsortiert, haben aber auch mit Viernheim und Wolfhagen zwei der schwerstmöglichen Brocken zum Auftakt serviert bekommen. Anfang Dezember geht es für die Berliner gegen die beiden Hamburger Teams.
Gut sieben Monate ist es her, da gelang es Frederik Svane in der Bundesliga, Vincent Keymer zu besiegen. Seitdem hat sich Keymer zweimal revanchiert, erst bei der Deutschen Meisterschaft, dann vor ein paar Tagen beim Grand Swiss, beide Male nach großem Kampf. Wer nun eine erneute Schlacht zwischen diesen beiden Hoffnungsträgern des deutschen Schachs erwartet hatte, wurde enttäuscht. Beide haben noch elf Runden Grand Swiss in den Knochen, und so endete es diesmal friedlich. Mit Schwarz hatte Svane keinerlei Probleme, stand sogar eher etwas angenehmer, als er nach 20 Zügen ein Remisangebot über den Tisch sandte. Keymer akzeptierte, hatte damit 1,5 Elo weniger als vorher und fiel vom achten auf den neunten Rang der Weltrangliste.

Ein paar Bretter weiter spielte Bundestrainer Jan Gustafsson wie am Vortag 21 Züge bis zur Punkteteilung. Diesmal zwar mit Weiß, aber ihm gegenüber saß mit Nikita Vitiugov ein veritabler Spitzengroßmeister, gegen den ein Remis kein schlechtes Ergebnis ist. Rasmus Svane wiederum schaltete gegen Bundesliga-Topscorer vom Schwindelmodus des Vortages in den Solide-Modus und sicherte sich einen bequemen halben Punkt. Damit war allerdings eine weitere Weißpartie weg. Ein weiteres Remis war für Hamburg drin, Gabor Papp gegen Rustam Kasimdzhanov, die anderen Bretter gingen an Baden-Baden. Richard Rapport, Radoslaw Wojtaszek, Etienne Bacrot und Alexander Donchenko stellten den ungefährdeten Kantersieg sicher.

Für Hamburg bedeutet das weniger wegen dieser, mehr wegen der nicht eingeplanten Niederlage gegen Heimbach, einen Fehlstart mit null Punkten. Die Baden-Badener tragen die weiße Weste, die sie nach Möglichkeit bis zum Ende tragen wollen, müssen als Tabellendritter aber feststellen, dass ihnen ein halber Brettpunkt nach ganz oben fehlt.

Als Philipp Leon Klaska im April 2019 NRW-Meister U10 wurde, spielte er noch für den Düsseldorfer Schachverein 1854. Es folgten Deutsche Meisterschaften, eine Weltmeisterschaft sogar - und ein Vereinswechsel. Beim Düsseldorfer SK kann Klaska Bundesliga spielen, und das macht er so gut, wie es besser nicht geht. Nach dem Sieg am Samstag legte das 2009 geborene Talent am Sonntag noch einen Sieg nach, den vollen Punkt zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung seines Teams. In der noch jungen Saisonstatistik ist er jetzt einer von sieben mit 100-prozentiger Bilanz. Klaska findet sich dort in Gesellschaft etwa der Schachfreunde Rapport, Amin, Sarana oder Donchenko.

Auch seine Mannschaft orientiert sich mit nun 3:1 Punkten eher nach oben. Gegen den FC Bayern war Klaskas Punkt bitter nötig, um ein 4:4 zu retten. Das, wohlgemerkt, trotz einer Null des nominell mit Abstand besten Düsseldorfers zustandekam. Nach etwa zwei Stunden war Volodar Murzin gegen den Neu-Österreicher und einstigen WM-Kandidaten Kirill Alekseenko der einzige Düsseldorfer, dem eine Null drohte - die er schließlich bekam.

Beim Stand von 3,5:3,5 kamen eher die Bayern für den Mannschaftssieg infrage. Valentin Dragnev verwaltete ein komfortables Damenendspiel, zwar mit Minusqualität, dafür mit zwei Mehrbauern. Aber es gelang ihm nicht, den Widerstand von Arthur Pijpers zu brechen. Die Partie mündete in ein Dauerschach und der Mannschaftskampf in ein 4:4.

Gestern war an dieser Stelle von der "Weltmeisterei" in der Bundesliga die Rede, bezogen auf all die amtierenden und ehemaligen (Jugend-)Weltmeister, die in der höchsten deutschen Spielklasse anzutreffen sind. Heute drängt sich die "Bundestrainerei" als Objekt der Berichterstattung auf. Wenn wir niemanden übersehen haben, spielen drei Bundestrainer Bundesliga, und im Match der Münchner gegen die Bremer trafen zwei aufeinander, genauer: zwei Frauenbundestrainer. Zahar Efimenko (Deutschland) traf auf Dawit Shengelia (Österreich). Die beiden Kollegen gingen friedlich auseinander.

Die einzige entschiedene Partie entschied den Kampf, eine Partie, die so gut war, dass sich Alexander Areshchenko womöglich das eingerahmte Partieformular daheim an die Wand hängt. Ein couragiertes Qualitätsopfer des Bremers führte zu einem furiosen Angriff. Weil zu einer tollen Partie immer zwei gehören, war das noch längst nicht die ganze Geschichte. Vitaly Kunin verteidigte sich zäh, zwang Areshchenko reihenweise einzige Fortsetzungen zu finden. Nach 60 Zügen schließlich mündete die Chose in ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern für den Bremer, das technisch gewonnen war, aber erst noch gespielt werden wollte. In Zug 111 schließlich gab sich der wackere Kunin geschlagen.
MSA Zugzwang teilt jetzt das Schicksal der Deggendorfer: zum Saisonauftakt zweimal die knappestmögliche Niederlage, null Punkte. Wegen der etwas besseren Brettwertung stehen die Münchner einen Rang vor den Deggendorfern.
Technisch-trocken, ein Arbeitssieg für den Vizemeister, der früh feststand. Auch Jorden van Foreest punktete voll, nachdem er sich am Vortag nur hauchdünn und mit gegnerischer Hilfe in ein Remis gerettet hatte.

Nur am ersten Brett lief es nicht. Wunderknabe Yagiz Kaan Erdogmus bekam mit dem Tschechen Thai Dai Van Nguyen einen 2660 Elopunkte schweren Spitzengroßmeister vorgesetzt, versuchte einen Rossolimo-Sizilianer, den er extrascharf mit entgegengesetzten Rochaden anlegte. Aber heikel wurde es nur rund um den König des Viernheimers, so heikel, dass sich die Lage bald nicht mehr kontrollieren ließ.

Der Mannschaftssieg war dadurch nicht gefährdet. Van Foreest, Meier, Sarana, Wagner und Amin machten mit ihren vollen Punkten trotzdem einen Kantersieg daraus. In anderen Spielzeiten hätten 11,5 Brettpunkte und 4:0 Mannschaftspunkte nach zwei Spieltagen für die Tabellenführung gereicht. Nicht in dieser. Wolfhagen, ebenfalls 11,5, hat die um einen Zähler bessere Brettwertung.
